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Orch-OR – Bewusstsein in Mikrotubuli?
Penrose & Hameroff, Quantenideen im Gehirn – und meine sehr menschliche Frage: Warum kann ich gleichzeitig traurig und glücklich sein, ohne dass mein System abstürzt?
Der Auslöser: Nichtlinearität im Kopf (danke, Strogatz)
Ich habe mich mit Steven Strogatz und nichtlinearen Systemen beschäftigt – und plötzlich dachte ich: „Moment… mein Gehirn ist definitiv kein lineares Rechenblatt.“ Es ist eher ein dynamisches System mit Rückkopplungen, Sprüngen, Kipppunkten und gelegentlichen Zuständen wie: „Ich bin motiviert“ und „Ich will mich in eine Decke falten“ – gleichzeitig.
Und dann kam diese Frage, die irgendwie unverschämt simpel ist: Wie kann das sein, dass zwei gegensätzliche Zustände gleichzeitig wahr sind? Warum kann ich innerlich „Ja“ fühlen und „Nein“ denken, und beides wirkt… real?
Mein Gehirn macht Dinge, die in Schulphysik nach „geht nicht“ aussehen – und genau deshalb wollte ich wissen, welche Logiken es noch gibt.
Quantenlogik als Gedanke: Es gibt nicht nur eine Logik
In der klassischen Logik ist vieles schön ordentlich: A oder nicht-A. Aber in der Quantenmechanik werden Dinge beschrieben, die sich erst mal anders anfühlen: Superposition, Unschärfe, Wahrscheinlichkeiten statt glatter „Entweder-oder“-Wahrheiten.
Und da hatte ich kurz diesen Gedanken: Vielleicht ist „Logik“ nicht eine einzige Schiene, sondern ein ganzer Bahnhof. Vielleicht ist es für unser Erleben normal, dass Gegensätze koexistieren – nicht als Widerspruch, sondern als Zustand, der erst durch Kontext „kollabiert“.
(Bevor jemand mich verhaftet: Das ist ein Denkbild, keine Behauptung, dass Gefühle Quantenpartikel sind.)
Orch-OR in einem Satz (und dann in hübsch)
Das Orch-OR-Modell (Orchestrated Objective Reduction) schlägt vor, dass Bewusstsein nicht nur auf neuronaler Netzwerkebene entsteht, sondern mit quantenartigen Zuständen in Mikrotubuli zusammenhängen könnte – also in Strukturen des Zytoskeletts innerhalb von Neuronen.
Sehr grob zusammengefasst
- Mikrotubuli könnten eine „Rechenebene“ unterhalb der klassischen Neuronenebene sein.
- Dort könnten sich quantenartige Zustände/Superpositionen aufbauen.
- Diese Zustände kollabieren („objective reduction“) und erzeugen diskrete Bewusstseinsmomente.
- Penrose verknüpft das Ganze mit Gravitation/Raumzeit – was das Modell maximal spannend macht und maximal angreifbar.
Warum mich das trotzdem reizt
Ich sehe Orch-OR nicht als „Das ist es!“ – sondern als eine Art intellektuelle Provokation: Was, wenn Bewusstsein nicht nur emergent aus Neuronen ist, sondern eine zusätzliche Ebene berührt?
- Es zwingt dazu, über die Grenzen klassischer Modelle nachzudenken.
- Es stellt die Frage, ob „warm & nass“ wirklich automatisch „keine Quantenphänomene“ bedeutet.
- Und es berührt das, was wir alle spüren: dass inneres Erleben nicht wie ein linearer Algorithmus wirkt.
Kritik (aka: der Moment, in dem die Physik die Stirn runzelt)
Es gibt starke Einwände: Dekohärenzzeiten im Gehirn, fehlende direkte Messdaten, viele spekulative Schritte – und eine generelle Skepsis gegenüber „Quanten als Erklärung für alles“. Diese Kritik ist wichtig. Denn sonst wird aus „Gedankenexperiment“ schnell „Quantenmagie“.
Goldene Regel bei Quanten-Bewusstseins-Ideen: Wenn es wie eine Abkürzung klingt („Quanten!“), ist es meistens eine Baustelle.
Und jetzt die großen Fragen, die mich nachts besuchen
Wenn Bewusstsein mehr ist als neuronale Aktivität – was ist es dann? Ein Zustand? Ein Prozess? Eine Eigenschaft von Materie? Etwas, das mit Information zu tun hat?
Und dann kommt unweigerlich die Frage, die man eigentlich nicht „mal kurz“ stellen kann: Was passiert damit nach dem Tod?
Ich habe darauf keine fertigen Antworten. (Und wenn jemand behauptet, er hätte sie sicher: bitte kurz die Datenlage mitliefern.)
Was ich im Blog damit vorhabe
- Orch-OR verständlich auseinandernehmen: Was behauptet wer genau?
- Nichtlinearität & Dynamik danebenlegen: Welche Phänomene lassen sich klassisch erklären?
- Offene Fragen sammeln, statt schnelle Antworten zu erzwingen.
- Testideen als Gedankenübung: Temperaturabhängigkeit, Zytoskelett-Störungen, Modell-Systeme im Labor.
Wenn du Strogatz liebst, Quanten hasst (oder umgekehrt), oder du eine clevere Idee hast, wie man „zwei Gegensätze gleichzeitig“ besser beschreibt – schreib mir gern.
Hinweis: Das ist ein persönlicher Denkraum zwischen Physik, Neuro und Philosophie. Keine medizinische Beratung, keine endgültigen Wahrheiten – aber hoffentlich gute Fragen.