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Buchprojekt – Innere Welt einer neurodivergenten Ärztin
Ein literarisches Projekt über Schule, Liebe und Gefühle – fern von Lehrbuchsprache, nah an inneren Bildern. Mit Nerd-Glanz und sehr realen Aha-Momenten.
deutsch-französische Flagge
Blogartikel: Buchprojekt – Innere Welt einer neurodivergenten Ärztin
Am Anfang war das Chaos. Also nicht philosophisch „Chaos“, sondern ganz konkret: lose Gedanken, Notizen in alle Richtungen, Sätze, die nachts um 02:13 Uhr erscheinen wie: „Wichtig: später unbedingt erklären, warum Geräusche Gefühle haben.“ Mein Plan war simpel: Ich schreibe das mal auf. Einfach so. Für mich. Ungefähr 17 Seiten später hatte ich dann aus Versehen ein Buchprojekt.
Und das ist ironisch, weil ich eigentlich schon mal ein Buch geschrieben habe: „Les jumelages franco-allemands à l'exemple du partenariat Aix-la-Chapelle et Reims“ – sehr seriös, sehr deutsch-französisch, sehr „hier sind Quellen, bitte nicht weinen“. Damals dachte ich (und denke es immer noch): Die deutsch-französische Freundschaft ist eines der wichtigsten Dinge, die Europa in der Realität zusammenhalten, wenn die Idee gerade wackelt. Ich engagiere mich seit meiner Kindheit dafür – in Vereinen, Projekten, überall dort, wo Menschen sagen: „Ja, lass uns Brücken bauen, statt Mauern zu dekorieren.“
Und dann gibt es da meinen Vater. Seine Kindheit war alles andere als leicht. Armut, 70er/80er Jahre, eine Umgebung, in der „sanft“ eher ein seltenes Adjektiv war. Ich habe in Frankreich (und ich sage das bewusst vorsichtig: in meinem Ausschnitt) Dinge gesehen, die mich jedes Mal kurz innerlich an die Wand tackern: Kinder, die im Supermarkt öffentlich angeschrien oder sogar körperlich gemaßregelt wurden. Und als ich selbst mal eine Schule dort besuchen durfte, war das für mich wie ein Paralleluniversum: manche Erziehungsmethoden fühlten sich an, als hätte jemand ein Kapitel aus den 30ern versehentlich in die Gegenwart kopiert.
Wichtig: Ich spreche nicht für „ganz Frankreich“. Das wäre so logisch wie „Ich habe einmal eine Möwe gesehen, also kenne ich jetzt die gesamte Ornithologie“. Aber ich habe genug gesehen, um zu ahnen, was mein Vater erlebt haben könnte – und was das in einem Menschen hinterlässt, auch wenn er längst erwachsen ist.
Wie daraus ein neurodivergentes Buch geworden ist
Eigentlich schreibe ich keine Biografie. Was ich schreibe, ist Fiktion – aber Fiktion, die aus Wahrnehmung gebaut ist. Die Hauptfigur erlebt eine Welt, die sich so anfühlt, wie meine sich oft anfühlt: nicht als „Diagnosebericht“, sondern als Innenperspektive. Denn genau das ist mein Punkt:
Ich will nicht über Neurodivergenz reden wie in einem Vortrag.
Ich will, dass man sie betreten kann.
Wie es ist, neurodivergent in einer Familie aufzuwachsen?
Wie es ist, neurodivergent zu lieben? (Spoiler: sehr schön, sehr intensiv, manchmal auch:
„Bitte gib mir 15 Minuten allein, sonst explodiert mein Nervensystem leise.“).
Wie es ist, Wahrnehmung zu haben, bei der andere Menschen kein „Auge“ oder „Gehör“ dafür haben?
Nicht weil sie schlecht sind, sondern weil ihre Filter anders eingestellt sind.
Und ja: Neurodivergenz wird sozial gerade relevanter, weil neurodivergente Menschen sichtbarer werden. Das ist gut. Sichtbarkeit ist ein Anfang. Aber Sichtbarkeit ohne Verständnis kann auch einfach nur „Beobachtung“ sein. Ich möchte Verständnis.
Das Ziel des Buches
Ich möchte neurotypischen Leser:innen eine Art Simulationsmodus geben: Nicht „Wissen über“, sondern „Erleben von“.
Damit ein bisschen mehr Platz entsteht für Sätze wie:
weniger: „Sei nicht so sensibel.“
mehr: „Entschuldige, ich war gerade so laut.“
Denn manchmal ist die beste soziale Innovation nicht ein neues Konzept, sondern ein neuer Reflex: nicht abwerten, sondern kurz die eigene Lautstärke checken. (Und ja: Das gilt nicht nur für Geräusche.)
Was im Blog passiert
Im Blog dokumentiere ich den Weg: Strukturfragen, Kapitelideen, Szenen, Entscheidungen. Und auch die klassischen Nebenwirkungen des Schreibens:
- „Ich schreibe nur kurz einen Absatz“ → plötzlich ist es 03:40 Uhr.
- „Das ist bestimmt fertig“ → nein. Es ist nur „temporär stabil“.
- „Ich mache das linear“ → ich mache es… topografisch.
Ich freue mich über Gedanken, Fragen, Reaktionen. Vor allem über die Art Feedback, die sagt: „Ich habe etwas verstanden, was ich vorher nicht greifen konnte.“ Denn genau dafür schreibe ich das.
Hinweis: Dieses Projekt ist literarisch und persönlich. Es ist kein diagnostischer Text und keine medizinische Beratung.